Publications Aufruf 02/07
Aufruf
Das Überleben der Menschen auf dieser Erde ist jetzt in Gefahr. Die Erde macht unsere Gier nach Ressourcen nicht mehr mit - und niemand wird nichts gewusst haben.
Millionen Menschen haben Wasser und Strom gespart, Müll sortiert und manche sind aufs Fahrrad umgestiegen. Wir bezahlen Milliarden für den grünen Punkt und wir haben geglaubt, mit Umweltschutz "am Ende der Pipe" die Ökosphäre retten zu können. Es hat nicht viel genutzt. Wir fahren volldampf voraus gegen die Wand. Ohne die gewohnten lebensnotwendigen Leistungen der Natur ist auch die Wirtschaft zu Ende.
Manche Wissenschaftler sagen jetzt, schon in 15 Jahren ist es zu spät, das Klima noch in vernünftigen Grenzen zu halten.
- Und dabei ist der Klimawechsel nur eine der drohenden Katastrophen: Bodenerosion, Wüstenausbreitung, Absterben von Fauna und Flora in den Meeren und akute Wasserknappheit in einigen der wichtigsten Anbaugebiete für Nahrungsmittel sind einige andere.
- Die ökologische Risikoschwelle ist insgesamt schon längst überschritten. Die Erde fliegt uns zunehmend mehr um die Ohren mit rasant wachsenden Folgekosten;
- Weit mehr als zwei Planeten Erde als Ressourcenbasis würden gebraucht, um die Wirtschaft so weiter zu betreiben wie sie bis jetzt funktioniert hat;
- Mehr als 95 % der entnommenen Ressourcen werden heute zu Abfall, noch ehe daraus Produkte und Konstruktionen entstanden sind. Eine neue industrielle Revolution ist angesagt. Nur wer diese umsetzt hat die Chance, im Konzert erfolgreicher Länder mitzuspielen;
- Wir brauchen deshalb eine zumindest zehnfache Verbesserung der Materialproduktivität. Sie ist technisch ohne Qualitätsverlust machbar und bringt eine über 50 %ige Einsparung von Energie.
- Arbeit zu besteuern heisst, Leistung zu bestrafen. Ressourcen und Energie billig anzubieten heisst, die Gier nach Naturzerstörung weiter zu belohnen. Eine Verschiebung der Steuern und Abgaben auf Arbeit hin zu Ressourcen schafft Arbeit und dämmt den Ressourcenverbrauch ein. Und nur der Staat kann die hierzu nötige Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schaffen.
DESHALB....
Müssen wir die Zukunft der ganzen Menschheit neu erfinden, den Staat und die Wirtschaft neu denken – hier in Europa, weil es Europas historisch verpflichtende und vielleicht letzte grosse Chance ist. Ökologisch, sozial und marktgerecht. Jede und jeder von uns muss vom Müllsortieren zum Aufklären avancieren, andere zum Mitmachen werben, Verantwortung für eine noch immer mögliche Zukunft übernehmen. Nicht Verzicht ist angesagt, sondern Mut, Vernunft und Solidarität für unsere Kinder und deren Kinder.
Viele Menschen wiederholen gebetsmühlenartig die Behauptung, Politiker täten viel zu wenig für ein faires und zukunftsfähiges Dasein der Menschen, weil ihnen das Wiedergewählt werden wichtiger sei. Genau deshalb muss es jedermanns Ziel sein, die Menschen vom Ernst der Situation und den Chancen für die Umkehr zu überzeugen, um auf diese Weise dafür zu sorgen, daß die Politiker und Manager der Wirtschaft gar nicht anders können, als die wirtschaftspolitisch, sozial, technisch und ökologisch richtigen Entscheidungen zu treffen - für eine Zukunft mit Zukunft.
EINIGE ZENTRALE THESEN ZUR ANNÄHERUNG AN DIE NACHHALTIGKEIT
- Da die Globalisierung des in den Industrieländern dominierenden
materiellen Wohlstandes die Verfügbarkeit von mehr als zwei Planeten
Erde als Ressourcenbasis voraussetzt, und da heute schon die ökologische
Risikoschwelle überschritten ist, ergibt sich als erste unausweichliche
Forderung, die technischen Eingriffe in die Ökosphäre zu minimieren
und die Wohlstandsgestaltung zu dematerialisieren (Faktor 10). Technisch
ist dies ohne Qualitätsverlust machbar. Zum Gelingen bedarf es allerdings
auch im sozialen und wirtschaftlichen Bereich vielfältiger Innovationen.
- Die technische Verfügbarmachung von Energie muss drastisch dematerialisiert
sowie ihre Anwendung effizienter und sparsamer gestaltet werde
- Der Prozess der Dematerialisierung muss am Eingang der Wirtschaft greifen,
er muss alle Produkte, Dienstleistungen und Verfahren „von der Wiege
bis zum Grabe“ umfassen. Wahre Innovation ist nicht die Vergrösserung
des Angebotes mit neuen Mitteln, sondern die marktgerechte Schaffung von
Lebensqualität mit weniger Ressourcen aus der Natur.
- Umweltgerechtes Verhalten muss sich lohnen. Dazu bedraf es neuer wirtschaftlicher
Rahmenbedingungen, die nur von der Politik geschaffen werden können.
- 5. Der Staat sollte beim Sparen von Ressourcen voran gehen. Die öffentliche Hand sollte künftig nur noch dematerialisierte Güter und Dienstleistungen erwerben.
Viele Details und Handlungsoptionen finden sich in den Bänden der Wiegandt-Reihe "Mut zur Nachhaltigkeit" vom Fischer Verlag. Jeder Band kostet unter 10 Euro. Für weitere Informationen können Sie sich an Dr. Hannes Petrischak, ASKO EUROPASTIFTUNG, Pestelstrasse 2, D 66119 Saarbrücken wenden, Tel +49 (0) 681 926 74 0, Fax +49 (0) 681 926 74 99, info[at]asko-europa-stiftung.de. (Weitere www’s beachten, z.B. Wuppertal Institut, Aachener Stiftung und NRW Effizienz Agentur).
Darüberhinaus lohnt es sich, Bücher von Bio Schmidt-Bleek zu konsultieren, zum Beispiel: "Ökodesign", Wirtschaftskammer Wien (WIFI No 303), "MAIA - MIPS berechnen", Birkhäuser 1995; "Das MIPS-Konzept", Drömer und DTV 1998 und 2000: "Der ökologische Rucksack", Hirzel 2004; und "Nutzen wir die Erde richtig?" Fischer, 2006
Ein Beispiel: Faktor 25 im automobilen Stadtverkehr
Vorbemerkung: Der Treibstoffverbrauch eines PKW pro Kilometer Fahrleistung ist kein angemessener Vergleichsmaßstab für die Umweltbelastung, denn der Naturverbrauch (von der Wiege bis zur Bahre) pro Fahrkilometer wird nur zu 15 bis 40 % durch den Freibstoffverbrauch bestimmt. Nimmt man die Infrastruktur hinzu, so sinkt der Treibstoffanteil am gesamten Ressourceninput dramatisch weiter ab. Es geht auch beim PKW um den gesamten Ressourcenverbrauch "von der Wiege bis zur Bahre", es geht um den Material-Input pro Einheit Leistung – es geht um MIPS.
Hier die grobe Berechnung der möglichen Dematerialisierung für automobilen Stadtverkehr:
Annahmen:
- NUR SINNVOLL INNERHALB EINES INNERSTÄDTISCHEN BEREICHES
- JEDER SOLL DAS AUTO FAHREN KÖNNEN, WELCHES ER/SIE MÖCHTE. Jährliche Abgaben an die Stadt liegen zwischen Null für die beste Dematerialisierungs-Lösung und 10 000 Euro für PKW mit 2 Tonnen Gewicht und mehr (wird alle 3 Jahre adjustiert). Die Gesamteinnahme der Stadt wird am Ende jedes Jahres durch die Zahl der Haushalte geteilt und die resultierende Summe an jeden Haushalt ausbezahlt.
- 3. STATISTISCHER MOBILIÄTSBEDARF WIRD FÜR ca. 90 PLUS % ERFÜLLT.
Ausnahmen müssen festgelegt werden. Zum Beispiel für kinderreiche
Familien und Behinderte. Preisgünstiges Leihwagenangebot muss organisiert
werden sowie LKW Grössen und Fahrzeiten festgelegt werden. Berechtigungen
werden mit farbiger Vignette leicht erkennbar an der Windschutzscheibe
erkenntlich gemacht.
Vorgesehenes Stadtauto:
- 2 bis 2 1/2 Sitzer, Fläche etwa 4,5 m2, Gewicht etwa 750 kg, mit ausreichend Ladefläche für Einkäufe und für faltbaren Kinderwagen
- Drei oder vier Räder
- Kleiner Rucksack (vorwiegend Stahl, Fiberglas, Kunststoffe, Glas, wenig Computer)
- 1 Mio km Garantie durch Hersteller(Flugzeuge fliegen heute im Schnitt 250 Millionen km
- Geschwindigkeit: Max 90 (u.U. bis 130) kmh
- Treibstoffverbrauch 2,5 lt/100 km oder weniger
- Reifen (Tevlar) für jeweils 200 T km, runderneuerbar bis 1 Mio km
- Preis bei Einkauf neu: Weniger als 10 000 Euro
- Steuer, Versicherung: geringer als bei Vergleichswagen
Dematerialisierungspotential:
Stadtauto | Vergleichsauto | Faktor | Gesamtfaktor | |
Gewicht 1/2 | 750 kg | 1500 kg | 2 | |
Rucksack 1/2 | 750x17 kg | 1500x34 kg | 4 | 8 |
Produktion | 80% | 100% | 1,25 | 10 |
Gesamtfahrleistung | 1 Mio km | 250 T km | 4 | >25 |
Treibstoffverbrauch | < 1/2 des Vergleichsautos | ca 25–30 und mehr |